Typische Gleisanlagen auf doppelspurigen Strecken Teil 2

 

Dieses Grundmuster war auf vielen Stationen anzutreffen. Das Spezielle ist die einfache Kreuzungsweiche im Hauptgleis. So mussten keine Weichen gegen die Spitze befahren werden, trotzdem konnten die notwendigen Manöver speditiv durchgeführt werden.

Bei einem Nahgüterzug, der Wagen zu - und abführte, war folgender Ablauf üblich: Der Zug ist von "links" in Gleis 2 eingefahren. Die Lok hat abgekuppelt und die abzuholenden Wagen aus Gleis 1 an die Spitze des Zuges gestellt. Anschliessend ist der ganze Zug vorgerückt und in Gleis 1 zurückgefahren. Die Wagen, die für die Station bestimmt waren, befanden sich am Zugschluss und konnten abgehängt werden. Danach konnte der Zug aus Gleis 1 zur nächsten Station nach "rechts" weiterfahren.

Bei einem Zug von "rechts" war der Ablauf gleich, das Ganze einfach ab Gleis 3.

Solange der manövrierende Zug im Hauptgleis 2 oder 3 stand, konnten dort keine anderen Züge durchfahren. Wenn der Zug aber vollständig in Gleis 1 stand, waren auch Überholungen möglich. Er durfte einfach nicht zu lang sein, damit er vollständig in Gleis 1 Platz fand. Bei regelmässigen Überholungen konnten Achszahl-beschränkungen in den Fahrplanunterlagen vorgeschrieben werden.

 

Was nicht möglich war, ist ein direkter Wechsel vom linken "richtigen" aufs rechte "falsche" Gleis.

 

In den Gleisplänen 1936 sind ca. 50 Stationen nach diesem Schema zu finden. Teilweise sind weitere Nebengleise vorhanden, aber es gibt nirgends Weichen in den Hauptgleisen, die gegen die Spitze befahren werden:

Kreis I

 

Satigny

St. Prex

La Conversion

Grandvaux

Oron

Siviriez

Arnex

La Sarraz

Bussigny

Evionnaz

Charrat

Chamoson

Eclépens

Ependes

Serrières

Cornaux

Cressier

Rubigen

Wichtrach

Uttigen

Kreis II

 

Sommerau

Brittnau-Wikon

Nottwil

Steinen

Balerna

Schönbühl

Lyssach

Bützberg

Roggwil

Rothrist

Dulliken

Schinznach-Bad

Pieterlen

Kreis III

 

Kilchberg

Rüschlikon

Mumpf

Eiken

Hornussen

Bäch

Dietlikon

Wiesendangen

Attikon

Islikon

Felben

Müllheim

Bürglen

Erlen

Oberaach


 

Die Aufstellung zeigt eine starke Verbreitung in der Westschweiz. Das ist nicht verwunderlich, weil das Gleisschema mit der einfachen Kreuzungsweiche in Frankreich weit verbreitet war und auch heute noch anzutreffen ist.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Thurtalbahn Winterthur - Romanshorn. Diese wurde 1905 - 1907 auf Doppelspur ausgebaut. Im flachen Thurtal konnten für die damalige Zeit hohe Geschwindigkeiten erreicht werden, so dass man danach trachtete, spitz befahrene Weichen möglichst zu vermeiden.

Im Gegensatz dazu steht die Gotthardbahn, wo dieser Anlagetyp nur ganz an den Rändern vorgekommen ist, nämlich in Steinen und Balerna. Auf den Rampenstrecken ging es vorallem darum, schwere Züge bergauf und bergab zu befördern. Hohe Geschwindigkeiten waren kein Thema, für (handgebremste) Güterzüge waren 40 km/h das Maximum. Spitz befahrene Weichen haben da nicht weiters gestört.

 

 

Natürlich sind auch Varianten ohne einfache Kreuzungsweiche möglich, um spitzbefahrene Weichen in Hauptgleisen zu vermeiden. Bei diesem Beispiel besteht aber der Nachteil, dass das Stumpengeleise 1 nur aus Gleis 2 gut zu erreichen ist. In der Gegenrichtung ab Gleis 3 funktioniert es nicht. Manöver können nur mit Zügen in Fahrtrichtung "links" - "rechts" durchgeführt werden.

 

Diese Variante war weniger verbreitet. In den Plänen 1936 habe ich 10 Stationen gefunden:

 

Kreis I:    Céligny, Gilly-Bursinel, Rolle, Perroy, Lutry, Cully, Rivaz, Clarens

Kreis II:   ---

Kreis III:  Schinznach Dorf, Kemptthal 

 

Das sind vor allem Stationen auf den Strecken Genève - Lausanne und Lausanne - Montreux. Der Grund könnte darin liegen, dass diese Strecken schon sehr früh auf Doppelspur ausgebaut wurden. Die Variante mit der einfachen Kreuzungsweiche war evtl. noch nicht so bekannt

 

Interessant ist, dass die Geschichte mit der einfachen Kreuzungsweiche auch auf vielen Stationen mit Ausweich / Überholungsgleis angewendet wurde. Das führte dann zu obigem Gleisschema. Ausser der Weiche nach dem Überholgleis gab es auch hier keine spitzbefahrenen Weichen. Die Zu - und Abfuhr konnte in der gleichen Weise wie oben beschrieben durchgeführt werden.

 

In den Plänen 1936 gibt es folgende Stationen, die diesem Grundmuster entsprechen:

 

Kreis I

 

Versoix

Vauderens

Schmitten

Thörishaus

Croy-Romainmôtier

Villeneuve

Aigle

Vernayaz

Saxon

Riddes

Ardon

St. Blaise

Landeron

Kiesen

Kreis II

 

Muttenz

Frenkendorf

Tecknau

Dagmersellen

Bodio

Riedtwil

Murgenthal

Däniken

Grenchen Süd

Selzach

 

Kreis III

 

Möhlin

Killwangen-Spreitenbach

Elgg

Aadorf

Eschlikon

Sirnach

Bruggen

Märstetten

Amriswil


 

In Croy-Romainmôtier und Däniken war die Verbindung ins Nebengleis mit einer Kreuzung statt mit einer einfachen Kreuzungsweiche ausgeführt.

 

 

Eine 141R vor einem Güterzug zwischen Belfort und Besançon. Die Lok gefällt mir zwar sehr, doch mir ist noch etwas weiteres aufgefallen, nämlich ...

 

 

... die klassische einfache Kreuzungsweiche im Gegengleis. Gerade in Frankreich sind solche EKW auch heute noch weit verbreitet. Auf dem Bild kann man gut sehen, dass in Pfeilrichtung keine beweglichen Teile bzw. Weichenzungen befahren werden.

 

Bild aus dem Buch "HIstoire du rail en Franche-Comté" von Jean Cuynet, Verlag "La Régordane" 1989